“Die Jugendherbergen bieten mit ihren klassischen Arbeitsfeldern ein ideales Arbeitsfeld für Menschen mit inklusivem Hintergrund. Hier können sie sich mit der nötigen Unterstützung zu wichtigen Kolleg*innen entwickeln“.

Alex Labruier, Geschäftsführer des Inklusionsdienstleisters ProjektRouter gGmbH

Seit 2024 ist die Jugendherberge Bonn Teil eines Netzwerks, das seit vielen Jahren in Kooperation mit der Kölner ProjektRouter gGmbH inklusive Arbeitsplätze schafft. „Die Entscheidung“, so Herbergsleiterin (kommissarisch) Maria Kreilkamp, „haben wir ganz bewusst getroffen. Wir hatten bereits positive Erfahrungen mit der Lebenshilfe Bonn gesammelt und wollten nun auch gezielt Mitarbeitende mit geistiger Behinderung ins Team integrieren. Wir sind mit Respekt, aber auch mit der Haltung an dieses Projekt gegangen, dass die Zusammenarbeit bereichernd sein wird – sowohl für das bestehende Team als auch für die neuen Kolleg*innen.“ Nach einem Jahr hat sich diese Haltung in der Praxis bewahrheitet: „Wir gehen respektvoller miteinander um, haben Berührungsängste abgebaut und unseren Zusammenhalt noch einmal stärker festigen können. Auch die Gäste reagieren positiv auf die Veränderungen. Besonders Familien mit Kindern mit Behinderung schätzen es, wenn sie Mitarbeitende mit Handicap im Team erleben – das schafft eine unmittelbare Verbindung.“

Kleine Maßnahmen machen den Unterschied

Dass ihr Team die nötige Sensibilität mitbringen würde, um Mitarbeitende mit geistiger Behinderung bestmöglich zu unterstützen – daran hat Maria Kreilkamp nie gezweifelt. Oft waren es ohnehin nur kleine Maßnahmen, die den Unterschied machten: Klare Arbeitsanweisungen etwa, kleinschrittige Aufgaben oder die flexible Anpassung an individuelle Bedürfnisse. So erhielt beispielsweise eine Mitarbeiterin, die nicht im direkten Gästekontakt arbeiten wollte, einen ruhigen Arbeitsplatz mit einer entspannten Arbeitsumgebung im Backoffice. „Inklusion“, so Maria Kreilkamp, „funktioniert umso besser, je wohler sich alle Mitarbeitenden fühlen und je besser sie ihre Stärken entfalten können. Wir haben einen Mitarbeitenden mit technischem Talent, der inzwischen eigenständig für die Medienbetreuung im Tagungsbereich zuständig ist. Ohne diese gezielte Förderung wäre seine Fähigkeit möglicherweise unentdeckt geblieben. Gleichzeitig hat das Team immer eine Anlaufstelle, wenn Fragen auftauchen.“

Stärken stärken

Die positiven Effekte der Inklusion zeigen sich insbesondere bei den neuen Mitarbeitenden selbst. Sie entdecken ihre eigenen Stärken und entwickeln sich persönlich weiter. Ein ursprünglich für einfache Aufgaben eingesetzter Mitarbeiter ist mittlerweile ein verlässlicher Ansprechpartner in der Warenannahme. Mit großem Engagement sorgt er dort für Ordnung und kennt das Lager mittlerweile in- und auswendig. All diese Erfahrungen möchte in der Jugendherberge Bonn niemand mehr missen. Zwar fordere Inklusion vor allem zu Beginn Zeit und Flexibilität. Der regelmäßige Austausch mit den Mitarbeitenden sowie den Partnern von Projekt Router gGmbH ist essenziell. Der wichtigste Tipp von Frau Kreilkamp: „Einfach den ersten Schritt wagen, ausprobieren und offen für neue Erfahrungen sein. Die Bereicherung, die Inklusion für ein Team bedeutet, ist enorm.“

Ein „Pionier“ der Inklusion am Arbeitsplatz

Auch Alex Labruier, Geschäftsführer der in Köln ansässigen ProjektRouter gGmbH, sieht in der nunmehr 20-jährigen Zusammenarbeit mit den Jugendherbergen im Rheinland einen großen Erfolg für inklusive Beschäftigungsverhältnisse: „Bisher konnten die betreuten Mitarbeitenden ihre beruflichen Fähigkeiten und Erfahrungen aus den Jugendherbergen in spätere Beschäftigungsverhältnisse einbringen. Davon profitierten sie selbst, aber auch die neuen Unternehmen.“

Die ProjektRouter gGmbH nahm 2004 ihre Arbeit auf. Im Fokus ihrer Arbeit stehen Menschen, die einen inklusiven Berufsweg in einem Unternehmen und eine individuelle und verlässliche Unterstützung für ihr berufliches Fortkommen wünschen. Als Inklusionsdienstleister unterstützt ProjektRouter heute mehr als 280 Menschen mit Behinderungen in unterschiedlichen Unternehmen und Institutionen, darunter insgesamt 46 inklusive Mitarbeitende in den Jugendherbergen Köln-Deutz (13), Köln-Riehl (21), Bonn (1) und Düsseldorf (4). Je nach Möglichkeit, arbeiten die Mitarbeitenden zwischen 15 und 38 Stunden pro Woche im Housekeeping, in den Gastronomiebereichen, den Außengeländen, der Haustechnik und der Verwaltung. Betreut werden sie dabei von Inklusions-Coaches, die sie selbst, die Teams und deren Vorgesetzte in der direkten Beratung vor Ort am Arbeitsplatz und in der akuten Arbeitssituation unterstützen – etwa, wenn es darum geht, neue Arbeitsaufgaben einzuüben, bestehende Aufgaben zu optimieren, unterstützende Arbeitshilfen zu entwickeln oder auch, Konflikte zu klären. Alex Labruier: „Unsere Inklusions-Coaches stehen jederzeit als Ansprechpartner*innen vor Ort zur Verfügung. Durch die tägliche Betreuung und Unterstützung der inklusiven Mitarbeitenden sowie die ständige Erreichbarkeit für das Jugendherbergsteam schaffen wir eine gewinnbringende Beschäftigungssituation sowohl für die Jugendherbergen als auch für die von uns betreuten Mitarbeitenden.“

Inklusions-Coaches unterstützen und begleiten die Mitarbeitenden vor Ort. In Arbeitstrainings werden neue Arbeitsaufgaben eingeübt und bestehende Aufgaben entsprechend der Einschränkung des Mitarbeitenden verbessert.

Jolin, Lukas und Silke auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt

In den ersten Arbeitsmarkt wollen auch Jolin Kirchhoff, Lukas Löffelmann und Silke Grünewald. Über das Modellprojekt „Ausbildung mittendrin“ des Elternvereins mittendrin e.V. erhielten sie 2022 in der Jugendherberge Köln-Riehl die Chance, in den von ihnen gewünschten Berufsfeldern genau dort zu lernen, wo auch junge Menschen ohne Behinderung ausgebildet werden. Auch hier ist ProjektRouter begleitender Projektpartner. Jolin Kirchhoff hat 2024 ihre duale Ausbildung zur Fachkraft Gastronomie erfolgreich absolviert und befindet sich gerade in der Orientierungsphase, um ihre nächsten beruflichen Schritte zu planen. Lukas Löffelmann arbeitet gemeinsam mit den Köchen und Coaches von ProjektRouter intensiv daran, seine bevorstehende Abschlussprüfung zu bestehen. Und auch Silke Grünewald steht kurz vor dem erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung und bereitet sich auf die Prüfung im Frühsommer 2025 vor. Ihr Ziel ist es, anschließend eine Stelle im gastronomischen Bereich in Düsseldorf zu finden.

teffen Minas (l.) und Juliane Euskirchen (r) mit Jolin Kirchhoff (m.)
Jolin Kirchhoff ist die erste Absolventin der Ausbildung zur Fachpraktikerin Gastronomie im Rahmen des Modellprojekts „Ausbildung mittendrin“. Steffen Minas (l.) und Juliane Euskirchen (r), gratulierten ihrer Kollegin zum erfolgreichen Abschluss.