Sie sind wieder da!

„Am coolsten fand ich, dass wir lernten, mit einem Feuerstein Feuer zu machen. Ich wusste gar nicht, wie schwierig das ist.“

Jill Kempf, Klasse 7b der Städtischen Gesamtschule Kaarst-Büttgen

Es war wohl eine der schönsten Botschaften, die sich 2022 in den Jugendherbergen im Rheinland verbreitete: „Die Schulklassen sind zurück.“ Nachdem die landesweiten Corona-Beschränkungen im Frühjahr 2022 gefallen und das Reisen wieder uneingeschränkt möglich war, setzte ein regelrechter Run auf die erlebnispädagogischen Klassenfahrten der Jugendherbergen ein. Vor allem Programme mit den Schwerpunkten Teambildung, Naturerlebnis, soziales Lernen und Bewegung wurden gezielt nachgefragt – mit ihrem sozialen und emotionalen Lernhintergrund konnten sie exakt dort helfen, wo Homeschooling, Lockdown und anhaltende Isolation bei Schülerinnen und Schülern großen Nachholbedarf ausgelöst hatten. Durch die lange vermissten Gemeinschaftserlebnisse gelang es Klassen zusammenzuwachsen und gestärkt in den Schulalltag zurückzukehren.

Wie sehr Schul- und Klassenfahrten gefehlt haben, machen die aktuellen Übernachtungsergebnisse deutlich: 172.915 Schülerinnen und Schüler verbrachten 2022 ereignisreiche Tage und insgesamt 388.524 Nächte in einer rheinischen Jugendherberge. Im Vergleich zum starken Vor-Corona-Jahr 2019 ist dies ein Plus von 24.241 Übernachtungen. Besonders stark im Vergleich zu 2019 sind die Zuwächse bei den Grundschulen und der Sekundarstufe I, sodass die Schulen im Jahr 2022 mit knapp 42 Prozent wieder die größte Gästegruppe im DJH-Landesverband Rheinland darstellten.

Mit neuen Programmen durchstarten

Die Jugendherberge Simmerath-Rurberg hat für die neue Klassenfahrtensaison gleich drei neue Programme entwickelt und angeboten: „Experimentierfreude“ geht der Frage nach, wie die besonderen Fähigkeiten von Hummeln, Delfinen oder Fledermäusen unseren technischen Fortschritt beeinflussen. Ergänzt werden kann diese forschende Klassenfahrt um einen Stratosphärenflug mit einem Wetterballon samt Kamera. Bei „mu.Tiger 2.0“ geht es darum, bedrohliche Situationen oder Konflikte im (Schul)Alltag als solche zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren. Und schließlich wurde die Adventure Academy um den Programmbaustein „Stand Up Paddling“ erweitert.

 

Die 7b auf Tour

Anfang 2022 erreichte den DJH-Landesverband Rheinland ein begeisterter Artikel, den die Schülerin Jill Kempf aus der 7b der Städtischen Gesamtschule Kaarst-Büttgen für die Schülerzeitung verfasst hatte. Ihre Klasse war bereits 2021 zu einer dreitägigen Klassenfahrt in die Jugendherberge Nettetal-Hinsbeck gefahren und hatte dort eines der pädagogisch betreuten Programme der Jugendherberge genossen. Jill Kempfs Fazit: Die Zimmer waren echt gemütlich, das Programm voller Spannung und Abenteuer und das Erdbeereis nach der abendlichen Disco einfach „yammi“.

Heimatlos. Obdachlos.

„Ohne Wohnung oder auf der Flucht zu sein, war für viele Menschen 2022 bittere Realität. Die Jugendherbergen im Rheinland konnten hier schnelle Hilfe leisten.“

Oliver Mirring, Geschäftsführer DJH-Landesverband Rheinland

Gemeinsam stark sein und helfen, wo es möglich ist: Auch 2022 hat sich der DJH-Landesverband Rheinland wieder bei Behörden und Organisationen als unterstützender Partner für Menschen in Not angeboten. Bestürzt über den Ukraine-Krieg und das unfassbare Leid der Bevölkerung kam eine hilfreiche Kooperation mit den Bezirksregierungen Düsseldorf, Köln und daran anschließend mit der Stadt Wuppertal zustande: Aus dem bombardierten Kiew kommend traf am 4. März 2022 ein ganzes Kinderheim in der Jugendherberge Wuppertal ein. Es war eines der ersten Heime, das nach Ausbruch des Krieges vollständig evakuiert worden war. Geplant war, dass die 75 Waisen mit ihren Betreuenden bis zum 31. August bleiben. Doch das Ausmaß des Krieges lässt eine baldige Rückkehr bis heute nicht zu. Deshalb versuchen alle Beteiligten, den Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen vier und siebzehn Jahren ein annähernd „normales“ Leben zu ermöglichen. Sie gehen zum Teil zur Schule und erhalten eine Kinderbetreuung, in der viel Raum bleibt für Spiele, Sport oder auch das gemeinsame Singen.

„Natürlich ist es ein anderes Land mit einer anderen Sprache, aber wir versuchen den Kindern das Gefühl zu geben, dass die Abläufe ungefähr die gleichen sind wie vorher.“

Tetiana Markelova, Leiterin des Kinderheims

Nicht die Hoffnung verlieren

In der Jugendherberge Wuppertal ist zudem der Verein „Sozialtherapeutische Kinder- und Jugendarbeit e.V.“ (SKJ) aktiv. Er unterstützt das Betreuerteam vor Ort. „Es ist wichtig“, so der stellvertretende Leiter Marco Golub, „dass sie alle nicht die Hoffnung verlieren, in ihre Heimat zurückzukehren. Gleichzeitig sollen sie sich hier wohlfühlen.“ Auch für die Herbergsleiterin Corinna Wendel und ihre Mitarbeitenden der Jugendherberge Wuppertal hat sich der Alltag verändert. „Vorher“, sagt sie, „haben die Schulklassen alle vier bis fünf Tage gewechselt, nun leben dieselben Kinder dauerhaft hier. Das führt oft zu ganz praktischen Herausforderungen wie der Frage: Was kochen wir heute?“

Weitere Kooperationen in Köln und Duisburg

Auch die Stadt Köln konnte mit einer temporären Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine unterstützt werden. Dafür stand ab dem 1. April 2022 die Jugendherberge Pathpoint Cologne in Bahnhofsnähe bereit. Zuvor hatte der DJH-Landesverband Rheinland dort seine Kooperation mit dem Verein „Helping Hands“ fortgesetzt. Im zweiten Winter in Folge erhielten dadurch 34 Obdachlose bis Ende März die Möglichkeit, im Warmen zu übernachten. Last but not least brauchen auch Helfende manchmal Hilfe: So wohnten in der Jugendherberge Duisburg Landschaftspark im März Mitarbeitende des THW, die in der benachbarten Kraftzentrale des Landschaftsparks Duisburg Nord Kriegsflüchtlinge versorgten.