Aufholen nach Corona
„Vielen Dank. Diese Chance hatte unermesslichen Wert für uns alle.“
Feedback aus der Jugendherberge Neuss-Uedesheim
Wohl kaum eine Bevölkerungsgruppe hatte weniger Chancen die Folgen der Pandemie adäquat zu bewältigen als Kinder, Jugendliche, Alleinerziehende und einkommensschwache Familien. Als freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe unterstützten die Jugendherbergen im Rheinland sie deshalb auch 2022 wieder bei der Bewältigung der Pandemiefolgen. Zehn Jugendherbergen im Rheinland veranstalteten im Rahmen des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fortgeführten Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona“ einwöchige Familienreisen und Feriencamps. Ihr Ziel: Kinder, Jugendliche und Familien mit erlebnispädagogischen Angeboten zu entlasten, gemeinsame Familien-Aktivitäten zu ermöglichen und Elternkompetenz zu stärken, um nach zwei erschöpfenden Jahren einfach mal wieder Kraft zu tanken.
Es konnten 51 Familienreisen sowie acht Kinder- und Jugendfreizeiten mit mehr als insgesamt 3.900 Teilnehmenden ausgerichtet werden. Die Aufhol-Programme schlugen mit rund 28.000 Übernachtungen in den NRW-Schulferien zu Buche. Ob kreatives Gestalten, Bewegungsspiele, Nachtwanderungen oder Phantasiereisen – in den Jugendherbergen Bad Münstereifel, Bonn, Essen, Gemünd Vogelsang, Hellenthal, Kleve, Köln-Riehl, Nettetal-Hinsbeck, Neuss-Uedesheim und Windeck-Rosbach wurden Familien und Kinder im Rahmen des Programms qualifiziert betreut.
Notwendige Förderung – tolles Feedback
Das Bundesministerium förderte die Angebote zu 90 Prozent, sodass einkommensschwache Familien mit Kindern davon profitierten. Ein anonymisiertes Feedbackverfahren im Anschluss an die Programme bestätigte, dass die deutliche Mehrheit der Familien (84%) ohne eine Förderung nicht hätte teilnehmen können. Zugleich ergab die Befragung, dass ihre Zufriedenheit mit den Erlebnissen und Erfahrungen so groß war, dass die weitaus meisten (89%) gerne wieder einen Urlaub in einer Jugendherberge verbringen würden.
„Meine Kinder und ich haben Entspannung, Spaß und Gemeinsamkeit erlebt –
unseren Akku aufgefüllt. Vielen Dank für diese Möglichkeit!“
Feedback aus der Jugendherberge Kleve
Duisburger Schulen holen auf
Auch Duisburger Schülerinnen und Schüler profitierten vom Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“, das in Kooperation mit dem Amt für schulische Bildung der Stadt Duisburg angeboten wurde. Insgesamt 695 Schülerinnen und Schüler aus acht Duisburger Schulen nahmen zwischen April und Dezember 2022 in den Jugendherbergen Duisburg Sportpark und Duisburg Landschaftspark an drei verschiedenen pädagogisch betreuten Tagesprogrammen zur Förderung sozialer Kompetenzen teil.
„Teamtraining und Konstruktion“ förderte die Kooperation und Qualität der Zusammenarbeit innerhalb der Klasse und bezog dabei die MINT-Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler ein. Im Rahmen der „TeamChallenge“ und des „Indoor-Teamtrainings“ organisierten die Schulklassen Wettkämpfe, bei denen es nicht nur um Körpergefühl ging, sondern auch darum, als Gemeinschaft zusammenzuwachsen. Die Teilnahme an dem Aktionsprogramm war für die Schülerinnen und Schüler kostenlos.
Heimatlos. Obdachlos.
„Ohne Wohnung oder auf der Flucht zu sein, war für viele Menschen 2022 bittere Realität. Die Jugendherbergen im Rheinland konnten hier schnelle Hilfe leisten.“
Oliver Mirring, Geschäftsführer DJH-Landesverband Rheinland
Gemeinsam stark sein und helfen, wo es möglich ist: Auch 2022 hat sich der DJH-Landesverband Rheinland wieder bei Behörden und Organisationen als unterstützender Partner für Menschen in Not angeboten. Bestürzt über den Ukraine-Krieg und das unfassbare Leid der Bevölkerung kam eine hilfreiche Kooperation mit den Bezirksregierungen Düsseldorf, Köln und daran anschließend mit der Stadt Wuppertal zustande: Aus dem bombardierten Kiew kommend traf am 4. März 2022 ein ganzes Kinderheim in der Jugendherberge Wuppertal ein. Es war eines der ersten Heime, das nach Ausbruch des Krieges vollständig evakuiert worden war. Geplant war, dass die 75 Waisen mit ihren Betreuenden bis zum 31. August bleiben. Doch das Ausmaß des Krieges lässt eine baldige Rückkehr bis heute nicht zu. Deshalb versuchen alle Beteiligten, den Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen vier und siebzehn Jahren ein annähernd „normales“ Leben zu ermöglichen. Sie gehen zum Teil zur Schule und erhalten eine Kinderbetreuung, in der viel Raum bleibt für Spiele, Sport oder auch das gemeinsame Singen.
„Natürlich ist es ein anderes Land mit einer anderen Sprache, aber wir versuchen den Kindern das Gefühl zu geben, dass die Abläufe ungefähr die gleichen sind wie vorher.“
Tetiana Markelova, Leiterin des Kinderheims
Nicht die Hoffnung verlieren
In der Jugendherberge Wuppertal ist zudem der Verein „Sozialtherapeutische Kinder- und Jugendarbeit e.V.“ (SKJ) aktiv. Er unterstützt das Betreuerteam vor Ort. „Es ist wichtig“, so der stellvertretende Leiter Marco Golub, „dass sie alle nicht die Hoffnung verlieren, in ihre Heimat zurückzukehren. Gleichzeitig sollen sie sich hier wohlfühlen.“ Auch für die Herbergsleiterin Corinna Wendel und ihre Mitarbeitenden der Jugendherberge Wuppertal hat sich der Alltag verändert. „Vorher“, sagt sie, „haben die Schulklassen alle vier bis fünf Tage gewechselt, nun leben dieselben Kinder dauerhaft hier. Das führt oft zu ganz praktischen Herausforderungen wie der Frage: Was kochen wir heute?“
Weitere Kooperationen in Köln und Duisburg
Auch die Stadt Köln konnte mit einer temporären Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine unterstützt werden. Dafür stand ab dem 1. April 2022 die Jugendherberge Pathpoint Cologne in Bahnhofsnähe bereit. Zuvor hatte der DJH-Landesverband Rheinland dort seine Kooperation mit dem Verein „Helping Hands“ fortgesetzt. Im zweiten Winter in Folge erhielten dadurch 34 Obdachlose bis Ende März die Möglichkeit, im Warmen zu übernachten. Last but not least brauchen auch Helfende manchmal Hilfe: So wohnten in der Jugendherberge Duisburg Landschaftspark im März Mitarbeitende des THW, die in der benachbarten Kraftzentrale des Landschaftsparks Duisburg Nord Kriegsflüchtlinge versorgten.
Nachhaltig wirtschaften
Vom Bildungsprogramm über den Bau und Betrieb seiner Jugendherbergen bis zur Verpflegung: Seit seiner Gründung gehört es zum Satzungsauftrag des DJH-Landesverbands Rheinland umweltverträglich und sozial verantwortlich zu handeln und zu wirtschaften. Gäste können sich deshalb darauf verlassen, dass er sich im Sinne dieses auf langfristigen Erfolg ausgerichteten Qualitätsansatzes kontinuierlich nachhaltig ausrichtet. Nur so kann das Ziel, die Jugendherbergen im Rheinland in den kommenden Jahren in die Klimaneutralität zu überführen, gelingen.
Kinder- und Jugendreisen haben im Vergleich zu Individualreisen grundsätzlich eine deutlich bessere Ökobilanz. Schulklassen reisen zum Beispiel meist mit Bus oder Bahn an, Gruppen fragen vermehrt nach vegetarischer Verpflegung und auch Seminarveranstalter*innen achten stärker auf ihren ökologischen Fußabdruck. Dennoch: Angesichts des Klimawandels, der steigenden Energiepreise sowie seiner Verantwortung gegenüber kommenden Generationen wird der DJH-Landesverband die CO2-Bilanz seiner Jugendherbergen und Angebote weiter verbessern. Seit dem Ende aller Corona-Beschränkungen sind dazu nun auch größere Investitionen wieder möglich.
Sparen ist angezeigt
Um der akuten Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs begegnen zu können, hat der DJH-Landesverband Rheinland seit dem Frühjahr 2022 viele nichtinvestive oder geringinvestive Maßnahmen umgesetzt. Sie reichen vom Einbau neuer Wasserhähne und Fensterdichtungen bis hin zu Stromspar-Tipps. Überall dort, wo es sinnvoll ist, stellt die Marketingabteilung bisherige Print-Produkte auf Online-Alternativen um. Schließlich leisten auch die mitarbeiterfreundliche Home-Office-Regelung und die Substitution der meisten Dienstreisen durch Online-Besprechungen ihren Beitrag zur besseren Ökobilanz. Dank dieser vergleichsweise überschaubaren Maßnahmen gelang es dem DJH-Landesverband Rheinland seine Angebots- und Reisepreise stabil zu halten – „nach Corona“ insbesondere für Familien und Kinder eine gute Botschaft.

Pilotprojekt zu „Erneuerbaren“ in Simmerath-Rurberg
Einen langfristig wirksamen Beitrag hin zur Klimaneutralität wird eine umfassende energetische Sanierung der Jugendherbergen leisten müssen. In der Jugendherberge Simmerath-Rurberg startete ein Pilotprojekt zur energetischen Sanierung, das möglichst auf alle Jugendherbergen ausgeweitet werden soll. Eine Energieberaterin hat das Haus zunächst kritisch unter die Lupe genommen und ein Konzept entwickelt. Ab 2023 beginnt der DJH-Landesverband Rheinland hier mit diversen energieoptimierenden Maßnahmen. Unter anderem wird von Heizöl auf eine Kombination aus Solarthermie und Pellets umgerüstet. Als Installations- und Heizungsbaumeister mit dem Fachgebiet „Regenerative Energie“ wird Volker Klose ab März 2023 das Team der Bauabteilung in der Geschäftsstelle ergänzen.
Inklusion am Arbeitsplatz
Als bundesweit einmaliges Modellprojekt startete 2022 in der Jugendherberge Köln-Riehl die duale Ausbildung von jungen Menschen mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“. Initiiert hatte das Projekt „Ausbildung mittendrin“ der Kölner Inklusionsverein „mittendrin e.V.“. In den kommenden fünf Jahren wird er jährlich bis zu acht junge Menschen mit geistiger Beeinträchtigung durch ihre duale Ausbildung begleiten. Gefördert wird das Projekt vom Land NRW und der Europäischen Union. Der nordrhein-westfälische Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Karl-Josef Laumann (CDU), kam am 4. Mai 2022 persönlich nach Köln, um den Bewilligungsbescheid in der Jugendherberge Köln-Riehl zu überreichen. „Dieses Projekt ist wirklich mal etwas Neues“, sagte er und betonte, dass eine gelungene Integration sich letztlich daran beweise, ob sie in Erwerbsarbeit münde.
Zugang in den ersten Arbeitsmarkt
In der Jugendherberge Köln-Riehl begannen Silke Grünewald (22) und Jolin Kirchhoff (19) ihre Ausbildung zur „Fachkraft für Gastronomie/ Restaurantservice“, der 19-jährige Lucas Löffelmann startete als Azubi zum „Fachpraktiker Küche“. Neu und besonders ist, dass es sich um reguläre Ausbildungen handelt – inklusive Ausbildungsvertrag und Unterricht in der Berufsschule. „Bislang gab es für junge Menschen mit Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ häufig nur die Möglichkeit, eine Werkstatt für Menschen mit geistiger Behinderung zu besuchen“, sagte die Projektleiterin Eva-Maria Thoms von „mittendrin e.V.“ „Mit dem neuen Projekt wird auch diese Gruppe in das reguläre duale Ausbildungssystem integriert und hat somit eine Option auf den ersten Arbeitsmarkt “. Ziel ist es, dass Auszubildende wie Silke, Jolin und Lucas später in ihrem Ausbildungsbetrieb bleiben können.
Integrativer Arbeitgeber
Steffen Minas, Leiter der Jugendherberge Köln-Riehl, war sofort bereit, bei „Ausbildung mittendrin“ mitzumachen. „Es gehört zu den Grundwerten der Jugendherbergen, dass alle Menschen unsere Angebote wahrnehmen können. Das impliziert auch ihre Verantwortung als Arbeitgeber. Wir beschäftigen aktuell 70 Mitarbeitende, von denen 17 ein Handicap haben. In der Jugendherberge Köln-Riehl arbeiten wir seit mehr als 15 Jahren integrativ und haben damit gute Erfahrungen gemacht.“
„Uns ist es wichtig, dass Inklusion und Integration nicht mit der Schule aufhören, sondern an der Arbeitsstelle weitergehen.“
Steffen Minas, Leiter der Jugendherberge Köln-Riehl
Projektpartner von „mittendrin e.V.“ ist der Kölner Inklusionsdienstleister Projekt Router gGmbH, der jahrelange Erfahrung hat, Menschen mit Behinderung in Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes zu integrieren. Unterstützt wird das Projekt außerdem von der Arbeitsagentur Köln, dem Landschaftsverband Rheinland (LVR), der Kölner Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer zu Köln.
Arbeitsplatz Jugendherberge
Täglich erschaffen die Mitarbeitenden des DJH-Landesverbands Rheinland nicht nur Gemeinschaftserlebnisse, sondern sind auch selbst eine große Gemeinschaft. In einem Arbeitsklima des wertschätzenden Miteinanders haben sie die Corona-Pandemie mit beeindruckendem Teamgeist gemeistert. Dennoch haben sich vor allem Mitarbeitende im Service angesichts der Unsicherheiten der Pandemie beruflich umorientieren müssen. Zum Vergleich: 2019 waren mehr als 800 Menschen für die Jugendherbergen im Rheinland tätig, 2022 waren es 723.
Digitales Jobportal erfolgreich gestartet
Um das Recruiting neuer Mitarbeiter*innen möglichst breit aufzustellen, launchte der DJH-Landesverband Rheinland 2022 eine eigene, digitale Jobbörse. Unter der Adresse http://www.jugendherbergen-rheinland-jobs-karriere.de/ finden Interessierte offene Voll- oder Teilzeitstellen als Aushilfskraft, als Berufseinsteigende oder als Azubi. Hier werden neben den vielfältigen Jobprofilen auch die Informationen zum DJH-Landesverband Rheinland als Arbeitgeber sowie eine Reihe Benefits, die der Verband seinen Mitarbeitenden bietet, präsentiert. Dazu gehören unter anderem verlässliche – und damit familienfreundliche – Arbeitszeiten, freiwillige soziale Leistungen, Weiterbildungen oder auch das JobRad.
Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz
Die Jugendherbergen im Rheinland sind interessante Orte, um während des Bundesfreiwilligendienstes sinnstiftende Arbeitserfahrungen zu sammeln. Hier setzte der DJH-Landesverband Rheinland seine seit Langem bestehende Kooperation mit dem DJH-Hauptverband fort. Neu ist seit 2022 eine Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz als größtem Träger für Freiwilligendienste in Deutschland. Mit Hilfe der Agentur „FreiWerk“ sind derzeit in acht Jugendherbergen junge Menschen eingesetzt, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren und den Herbergsalltag in den rheinischen Jugendherbergen unterstützen. Beteiligt sind dabei die Jugendherbergen Bad Honnef, Essen, Gemünd Vogelsang, Nettetal-Hinsbeck, Mönchengladbach, Waldbröl „Panarbora“, Windeck-Rosbach und Wipperfürth.